Interview
Caspar Coppetti über On
Geschätzte Lesezeit: 4 MinutenEr ist Snowboarder und Wellenreiter und verfolgt seine Ziele mit spielerischer Konsequenz. Er verbringt jährlich 130 Nächte im Ausland und hat auch auf langen Reisen nur einen Weekender dabei. Als Caspar Coppetti im Jahre 2010 mit Olivier Bernhard und David Allemann die Laufschuhmarke On gründet, sind viele skeptisch. Inzwischen wurde er als Unternehmer und On für die besondere Technologie und das reduzierte Design mit Awards ausgezeichnet.
Marathon-Stars haben ihre Nikes gegen On eingetauscht. Die Schweizer Marke wird von 3000 Fachhändlern in über 40 Ländern geführt. Im Headoffice in Zürich West sitzt Caspar Coppetti an diesem späten Vormittag auf einem grossen Sofa. Er trägt ein hellblaues Hemd über einer schmal geschnittenen Chino – und einen Bart. Der 41-jährige promovierte Entrepreneur nippt am Kaffee und lehnt sich zum Interview zurück.
Giardino-Magazin: Hier sieht’s ja entspannt aus. Mitarbeiter stehen barfuss am Herd und kochen. Andere machen sich zum Lauf auf und der Chef fläzt auf einem Sofa und plaudert über das Leben. War das schon immer so? Caspar Coppetti: Oh nein. Als wir On gründeten ging die Welt einmal pro Woche unter. Mir war aber schnell klar: Wenn sie am nächsten Tag wieder aufgeht, dann kann es so schlimm nicht sein. Man gewöhnt sich als Unternehmer ein bisschen daran. Inzwischen geht sie nur noch einmal im Jahr unter.
Kannst Du ein Beispiel für so einen Weltuntergang nennen? Caspar Coppetti: Zur Abnahme unserer zweiten Kollektion flogen wir über Silvester nach Guangzhou. Es gibt schönere Erlebnisse als ein Silvester in Guangzhou. Aber die Schuhe kamen vom Ballen und alles schien perfekt. Zurück in Europa, ereilte uns dann ein Anruf. Die Fabrik war pleite und von der Polizei versiegelt worden. Eine Woche vor Chinese New Year. Ganz Asien stand still – und wir bekamen die Schuhe nicht. Die Gefahr war, dass wir nicht liefern konnten. Unser Agent schaffte es jedoch, die halbfertigen Schuhe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion rauszuholen. 30000 Paare. Wir mussten eine andere Fabrik finden, die sie zusammensetzt und konnten schliesslich 80 Prozent der Ware pünktlich liefern. Hätten wir das nicht geschafft, wären wir einen Monat später wohl bankrott gewesen.
Kleine und grosse Krisen eignen sich zur Legendenbildung. Und mittlerweile hat sich rumgesprochen, dass man ein Wow-Gefühl bekommt, wenn man zum ersten Mal in einen On-Schuh steigt. Caspar Coppetti: Die mehrfache Siegerin des New York Marathons Tegla Loroupe hatte ständig Rückenschmerzen und konnte dank unserer Schuhe wieder laufen. So geht es vielen, ja. Als wir den Prototyp damals in Zürich vorstellten, kam eine Deutsche mit weit aufgerissenen Augen vom Testlauf zurück und sagte: Das fühlt sich an wie auf Wolken. Das wurde unser Slogan: Laufen wie auf Wolken.
… und die Leute rissen Euch fortan die Schuhe aus den Händen? Caspar Coppetti: Die Fachhändler werden stark umschwärmt und vor allem sind sie sehr skeptisch. Anfangs probierten sie die Schuhe nicht einmal an, die wir ihnen geschickt hatten. Dann sind wir direkt auf sie zugegangen. Von den 3000 Händlern, die On im Programm haben, sind Oliver und ich bestimmt mit 800 laufen gegangen. Jogging ist heute Teil meines Berufs. Philosophen wie Immanuel Kant haben ihre Arbeit mit dem gehen verbunden, getreu dem Motto: Man denkt nur mit den Füssen gut.
Läufst Du auch, um neue Ideen zu bekommen? Capar Coppetti: Wenn wir im Team ein Thema besprechen möchten, gehen wir oft laufen. Natürlich ein bisschen gemütlicher. Wir laufen häufig dort unten am Fluss – und dann fliessen auch die Gedanken. Manchmal begegnen wir einem Schauspieler, der On trägt und beim Spazieren seine Texte auswendig lernt.
Ein cooler Job: fürs Joggen bezahlt zu werden! Caspar Coppetti: Ich bin 130 Tage im Jahr im Ausland und eigentlich konstant im Jetlag. Der Lauf am Morgen ist auch ein Impuls an den Körper: Hey, Du lebst! Ob Seoul oder Miami – so lerne ich nebenbei auch die Stadt kennen, in der ich mit gerade befinde. Wachst Du manchmal auf und weisst nicht, wo Du bist? Caspar Coppetti: Da ich kaum länger als drei Tage an einem Ort verweile, passiert das sehr oft. Deshalb gehe ich in den Städten, die ich regelmässig aufsuche, immer in die gleichen Hotels.
Was muss ein Hotel haben, damit Du Dich wohlfühlst? Caspar Coppetti: Ein gutes Bett, ein gutes Frühstücksbuffet und eine gute Lage, am liebsten an einem Fluss, am Meer oder an einem Park, wo ich mich bewegen kann. Wichtig ist auch eine coole Lounge – zum arbeiten und um Gästen zu empfangen.
Gibt es ein Land, das für Dich noch Überraschungen bereit hält? Caspar Coppetti: Wir haben ein Tochterunternehmen in Japan. Deshalb war und bin ich oft dort. In Tokio sehe und erlebe ich ständig Dinge, die ich nie zuvor gesehen oder erlebt habe. Die Japaner sind ehrenhafte – und ganz eigenwillige Menschen.
Wie, glaubst Du, beeinflusst die Topografie eines Landes oder einer Stadt das Denken seiner Bevölkerung? Caspar Coppetti: Die Landschaft prägt einen. Wir haben auch ein Büro in Portland, Oregon. Die Menschen dort leben nahe der Berge, wie wir Schweizer. Sie ticken ganz anders als der Rest der USA. Es geht aber nicht nur um die Psyche, sondern auch um die Physis. Ich bin in einem Bergdorf aufgewachsen. Ich spüre die Berge körperlich. Selbst wenn es stockdunkel ist, kann ich Dir sagen, wo der Berg ist. Ich brauche die Berge genauso wie die Seen. Deshalb liebe ich das Engadin.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Hotel zur Story:
Hotel Giardino Mountain, St. Moritz